Radio "Grüne Welle" vom 03.09.98


Themen der Sendung vom 03.09.98 Schallwellen

MitarbeiterInnen der Sendung:
Anja (A), Ilona (I), Lars (L), Nicole (N), Melanie (M), Ralf (Ra) sowie Hardy in der Technik

AutorIn: a , SprecherIn: s


Bau von Einfamilienhaeusern in Wuppertal

Wie viele Einfamilienhaeuser braucht Wuppertal?

Die Stadt Wuppertal braucht mehr Einfamilienhaeuser. Dieses Motto vertritt jedenfalls die Stadtspitze, wenn es um den Wohnungsbaubedarf fuer die naechsten Jahre geht. Auch eine Zahl ist bereits im Gespraech: 3500 Einfamilienhaeuser sollen bis zum Jahr 2010 entstehen.

3500 Einfamilienhaeuser - das bedeutet einen enormen Flaechenverbrauch und zwar vorwiegend im Aussenbereich der Stadt, z.T. auf oekologisch besonders wertvollen Flaechen. Denn wer ein Einfamilienhaus kauft, moechte natuerlich im Gruenen wohnen und nicht im Innenstadtbereich. Und der Wunsch nach einem Haeuschen im Gruenen ist offenbar recht weit verbreitet, wenn die Badarfszahlen stimmen. Vor allem junge Familien mit Kindern sollen mit diesem Angebot als Steuerzahler in Wuppertal gehalten werden. Andernfalls wuerden zu viele relativ einkommensstarke Familien aus Wuppertal ins Umland abwandern. Die wuerden dann folglich auch ihre Steuern an die Nachbargemeinden zahlen, fuerchtet die Stadt. Um den ermittelten Bedarf zu decken, werden bereits 15 Flaechen am Stadtrand von Wuppertal auf ihre Eignung fuer eine Wohnbebauung ueberprueft.

Dabei soll es sich groesstenteils um Arrondierungsgebiete handeln, d.h. die geplante Bebauung soll an die bereits bestehende Bebauung anschliessen, also sozusagen "Luecken" ausfuellen. Das trifft allerdings fuer die meisten der ueberplanten Flaechen nicht zu. Da handelt es sich naemlich groesstenteils um Freiflaechen, die als Naherholungsgebiete und als Teile einer ueberregional wichtigen Freiflaechenverbundachse Bedeutung haben. Die Planungen stehen deshalb eindeutig im Widerspruch zum lokalen Agenda 21 - Konzept, wo ganz klar flaechensparendes Bauen gefordert wird. Das Wort flaechensparend hat hier nur in sofern Bedeutung, als man versucht, einen Grossteil der Einfamilienhaeuser als Reihenhaeuser auf einer relativ kleinen Flaeche unterzubringen. Das gesamte Konzept ist wenig innovativ und versucht die Wohnungsbau - Problematik in erster Linie auf Kosten des Naturschutzes zu loesen.

Was kann man statt dessen tun?- Man sollte versuchen, neue Konzepte zu entwickeln, um das Wohnen im Innenstadtbereich wieder attraktiver zu machen. Geschosswohnungsbau kann durchaus so gestaltet sein, dass er das Gefuehl von Wohnen im Gruenen vermittelt, z.B. durch Fassadenbegruenung und Dachterassen oder die Entsiegelung von Hoefen. Auch eine Umgestaltung der Strassen und die Einrichtung attraktiver Spielplaetze fuer die Kinder koennen zur Wohnumfeldverbesserung beitragen. Darueber hinaus koennen die innerstaedtischen Gruenflaechen, die ja in Wuppertal recht zahlreich vorhanden sind, mit dazu beitragen, ausreichende Erholungsmoeglichkeiten im unmittelbaren Wohnumfeld zu schaffen. Oekologisch wertvolle Flaechen mit grosser Artenvielfalt im Aussenbereich koennten so geschont werden. Statt dessen werden aber Landschaftsbereiche als Wohnbauflaechen ausgewiesen, deren Ausdehnung weit ueber die Vorschlaege des Flaechennutzungsplanes und der Landschaftsplaene hinausgehen. In den Landschaftsplaenen sind die Flaechen z.T. als besonders schutzwuerdig dargestellt, in vielen Faellen liegen die Planungsflaechen sogar in einem Landschaftsschutzgebiet. Damit werden die Ziele des Agenda 21 - Konzepts bzw. des Handlungsprogramms fuer ein zukunftsfaehiges Wuppertal auf den Kopf gestellt.

Der Beirat der unteren Landschaftsbehoerde lehnt die Wohnbebauung auf drei der vorgeschlagenen Flaechen (Heidt, Maehlersbeck und Hipkendahl) entschieden ab, bei acht weiteren Flaechen bestehen erhebliche Bedenken. Eine zukunftsorientierte, flaechenschonende Stadtentwicklung sollte anders aussehen. Dazu koennte z.B. auch gehoeren, dass wichtige Bauvorhaben in Zukunft auch mit den Nachbarstaedten und -gemeinden abgestimmt werden. Ansonsten werden die Ballungsraeume bald zu einer einzigen versiegelten Flaeche werden und die Haeuslebauer muessen sich wieder nach einer Alternative umsehen - wie waer|s denn auf dem Mond?!


Die Bundeskanzleransprache beim Besuch der letzten Schwarzwaldtanne

Es gibt noch - und warum sollen wir das nicht sagen - ein sehr spezifisches deutsches Verhaeltnis zum Baum, frueher haette man Wald gesagt. Und wir sollten uns dessen gar nicht schaemen, dass diese Beziehung auch emotional gepraegt ist. Die wichtigsten Erfahrungen des menschlichen Lebens kommen doch ueberwiegend aus dem Herzen und dann erst aus dem Verstand. Und deswegen ist es durchaus richtig, dass man bei einer solchen Frage auch klar sagt: Unser Verhaeltnis zu unserem Baum hat entscheidend mit der Kulturlandschaft der Deutschen zu tun.

Ein Grossteil unserer Lyrik, wichtige geistesgeschichtliche Stroemungen - ich brauche nur die Romantik zu erwaehnen - waeren ohne dieses spezielle Verhaeltnis zum Baum, und so, wie die Deutschen Baum verstehen und erleben, nicht denkbar.

Eine vernuenftige oekonomische Entwicklung ist ohne eine ausreichende oekologische Basis nicht denkbar. Das Leben in unserem Lande wird unertraeglich, wenn auch dieser Baum noch stirbt. Gelingt es nicht, den Baum zu retten, waere die Welt, in der wir leben, nicht wiederzuerkennen. Es waere nicht die Welt, in der wir wuenschten zu leben. Ich glaube, das ist die entscheidende Aussage, die fuer uns alle gilt.

Lassen Sie mich zum Schluss, wenn Sie so wollen, noch eine persoenliche Bemerkung machen: Als ich vor nunmehr vielen Jahren zum erstenmal den Amtseid als Bundeskanzler ablegen durfte, da war die Angst vor dem Waldsterben in unseren Gassen und Strassen unterwegs. Erst stirbt der Wald und dann der Mensch - so sagten damals die Kulturpessimisten, die in der Regel noch nie einen Baum selbst gefaellt hatten.

Nun sagen Sie mal selbst: Haetten Sie es damals fuer moeglich gehalten, dass ich heute vor einem gesunden Baum sprechen und in die froehlichen Gesichter von Menschen blicken kann, die so etwas Hoffnungsvolles im Blick haben, wenn sie mich anschauen ?

Und als ich ueber die kahlen Schwarzwaldhoehen, von denen man uebrigens jetzt einen ausgezeichneten Weitblick hat, hierherfuhr, da habe ich ganz leise zu mir gesagt: Solange der letzte Baum nicht gestorben ist, lebt auch mein Waehlerauftrag.